Das Vorkommnis "Julia Schoch"

Die Autorin Julia Schoch ist 1974 geboren, sie ist in Mecklenburg aufgewachsen und lebt heute als freie Schriftstellerin und Übersetzerin in Potsdam. Julia Schoch hat zahlreich Auszeichnungen für ihr Werk erhalten. Der Roman „Das Vorkommnis“ ist der erste Teil einer Trilogie zur „Biographie einer Frau“, in der es um die verschiedenen Aspekte weiblicher Existenz gehen soll.

Die Hauptfigur und Ich-Erzählerin ist Autorin und Lehrende für Literatur. Nach einer Lesung beim Signieren ihrer Bücher wird sie von einer fremden Frau mit „Wir haben übrigens denselben Vater“ angesprochen. Dieses Vorkommnis, obwohl es eher unspektakulär verlief, stellt doch ihr ganzes Lebensgefüge in Frage.

Als Reaktion auf diese Mitteilung fällt die Erzählerin der fremden Frau weinend um den Hals, ohne ihr jedoch irgendeine Frafge zu stellen. Aber dieser Satz beschäftigt sie unterschwellig weiter, er wirkt wie eine nur scheinbar verheilte Wunde, die jeden Moment wieder aufbrechen könnte. Alles verändert sich, ihre Gedanken kreisen ständig um dieses Verschweigen ihrer Familie, deren Mitglieder fast alle Bescheid gewusst haben. Sie erkennt schließlich, dass dieses Schweigen notwendig war, um das Familiengefüge nicht zu gefährden.

Durch dieses Vorkommnis wird für die Ich-Erzählerin Bekanntes fremd und sie verliert das Vertrauen. Nichts stimmt mehr, nichts ist, was es zu sein scheint, die Geister einer ungreifbaren Vergangenheit führen für sie zu einer tiefen Befremdung.

Nur allmählich gelingt es der Erzählerin, durch intensives Bemühen und Grübeln sich zu erinnern und die Bedeutung des alten Geschehens für das Leben ihrer Familie damals und heute zu verstehen. Schließlich beginnt sie nach ihrer Halbschwester zu suchen.

Der Roman beschreibt den Weg einer Frau von einem Vorkommnis, durch das sie mit einem Stück Vergangenheit konfrontiert wird, bis zu dem Punkt, an dem es ihr gelingt, sich zu erinnern und die Kraft, die für das Verdrängen vergangener Ereignisse verbraucht wurde, freizusetzen und für eine Lösung zu verwenden. Dieser innere Kampf der Erzählerin wird von der Autorin feinfühlig und anschaulich beschrieben.

Sehr lesenswert!!

Prof. Münzer-Jordan

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