Sasa Stanisic "Herkunft"

Sasa Stanisics Roman „Herkunft“ hat 2019 den Deutschen Buchpreis gewonnen. In diesem Werk erzählt der gebürtige Bosnier, der als Dreizehnjähriger mit seiner Mutter von Visegrad nach Deutschland geflüchtet ist, von seiner Familie, der Ankunft in Deutschland und den Schwierigkeiten der Integration.

Stanisic hält sich nicht an eine chronologische Erzählweise. Allerdings durchzieht die zunehmende Demenz seiner Großmutter Kristina, die in Bosnien lebt, das Buch wie ein roter Faden. Je mehr sie vergisst, desto dringender wird für Stanisic der Wunsch, sich zu erinnern. In lose miteinander verknüpften Episoden erzählt er von seinen Großeltern, der Notwendigkeit der Flucht, seiner ersten Liebe, seinen Erfolgen und Niederlagen und von der für ihn befreienden Kraft des Erzählens und der deutschen Literatur.

Dies alles wirkt wie ein Kaleidoskop. Stanisic erzählt seltsam distanziert, ein wenig so, als würde ihn das alles kaum betreffen. Sein Ton ist durchaus humorvoll, er berichtet auch von Schicksalsschlägen amüsiert und ohne Bitterkeit. Zu diesen Schicksalsschlägen gehört die Tatsache, dass seine akademisch gebildeten Eltern in Deutschland am Bau und in einer Wäscherei arbeiten müssen und später, als ihre Aufenthaltsbewilligung nicht verlängert wird, nach Florida auswandern. Fast scheint es so, als hätte nicht der Autor selbst, sondern ein anderer das alles erlebt.

Stanisic hat ein leicht lesbares, amüsantes Buch geschrieben, das Herkunft als  Ansammlung von Zufälligkeiten definiert, Zufälle, die dem Einzelnen je nach Lebensumständen Vor- oder Nachteile bringen.

Ein wenig regt sich im Leser der Verdacht, dass hier Schweres allzu leicht verhandelt wird.

Interessant und abwechslungsreich!

Prof. Münzer-Jordan

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