Peter Handke "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter"

Diese frühe Erzählung des österreichischen Nobelpreisträgers 2019 Peter Handke ist leicht zu lesen, verursacht aber beim Leser zeitweilig Verwunderung und Orientierungslosigkeit.

Die Hauptfigur, der Monteur Josef Bloch, berichtet von seinen Erlebnissen und Erfahrungen in der dritten Person. Er betrachtet sich als gekündigt, als er eines Morgens bei der Arbeit erscheint und niemand ihn grüßt. Er streift in diversen Wiener Lokalen herum und lernt eine Kinokassiererin kennen. Diese erwürgt er grundlos nach einer gemeinsamen Nacht.

Danach begibt sich Josef Bloch in den Süden Österreichs, um eine alte Bekannte, die ein Wirtshaus betreibt, aufzusuchen. Dort angekommen tritt er aber kaum mit ihr in Kontakt. Es macht ihm zusehends Schwierigkeiten, seine Umgebung zu verstehen, Sinn in den Worten anderer zu finden und zu ihnen Beziehung aufzunehmen.

Seine Wahrnehmungen werden für ihn immer schwerer einordenbar; den Mord an der Kassiererin bereut er nicht, er hat auch keine Angst vor seiner Entdeckung. Die Wirklichkeit entgleitet ihm, sodass auf den letzten Seiten der Erzählung die Bedeutung der Worte verloren geht und sie im Text durch Zeichen ersetzt werden.

Die Erzählung endet, als Bloch, der selbst Tormann war, einer Zufallsbekanntschaft erklärt, wie sich ein Tormann beim Elfmeter fühlt.

Handke hat in dieser Erzählung eine beunruhigende Verfremdung beschrieben, vielleicht sogar eine beginnende Schizophrenie. Die Wirklichkeit wird der Hauptfigur unzugänglich, Beziehungen werden bedeutungslos. Letztendlich kann auch der Leser/die Leserin bei der Lektüre ähnliche Gefühle erleben.

Beunruhigend und lesenswert.

Prof. Münzer-Jordan

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