Olga Tokarczuk "Letzte Geschichten"

Olga Tokarczuk, die Nobelpreisträgerin 2018, erzählt in ihrem frühen Roman (2006) „Letzte Geschichten“ von drei Frauen. Jeder dieser Frauen ist ein Teil des Buches gewidmet. Es sind keine Begegnungen zwischen ihnen beschrieben, und nur aus wenigen Hinweisen ist erkennbar, dass es sich um Mutter, Tochter und Enkelin handelt.

Im ersten Teil geht es um Ida, eine Frau Mitte 50, die bei einer Autofahrt zu ihrem Elternhaus in ihrer früheren Heimat verunglückt. Sie wird von zwei alten Leuten aufgenommen, die in ihrer Scheune alten oder kranken Tieren Unterschlupf geben, damit sie dort sterben können. In Ida entstehen Bilder von alten, fast vergessenen Erinnerungen, vor allem an ihre Mutter.

Um Parka geht es im mittleren Teil dieses Buches. Sie erzählt in bewegenden Worten ihre Geschichte selbst, die von Flucht, Vertreibung und Gewalt handelt. Auch ihre Ehe mit Piotr, den Tod eines gemeinsamen Kindes und ihre außereheliche Liebesgeschichte beschreibt sie. Zuletzt hält sie Wache bei ihrem toten Mann.

Der dritte Teil ist Maja zugeschrieben. Sie verfasst Reiseführer, testet Hotels und ist aus diesem Grund mit ihrem zehnjährigen Sohn auf einer Ferieninsel im Südchinesischen Meer unterwegs. Dort trifft sie auf einen todkranken, alten Zauberkünstler, den sie für ihren verschollenen Vater hält.

Diese drei Geschichten sind auch ohne ein Zusammentreffen der drei Frauen miteinander verbunden. Alle drei Frauen sind unterwegs, entweder zwangsläufig auf der Flucht oder für ihren Beruf. Alle drei haben Sehnsucht nach einem eigenen Ort, nach Zugehörigkeit. In jeder Geschichte ist der Tod ein Motiv: die „Sterbeklinik“ für Tiere, der tote Ehemann Piotr und der todgeweihte Zauberkünstler.

„Letzte Geschichten“ ist ein tiefgründiges, spannendes Buch voll von Motiven und Symbolen.

Sehr lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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