Natascha Wodin “Nastjas Tränen“

Natascha Wodin ist die Tochter sowjetischer Zwangsarbeiter, die nach Hitlerdeutschland verschleppt wurden. Sie hat mit dem dokumentarischen Roman „Sie kam aus Mariupol“ den Preis der Leipziger Buchmesse gewonnen. In „Nastjas Tränen“ beschreibt sie das Leben einer Ukrainerin, die sie an ihre Mutter erinnert.

Nastja ist in der Sowjetunion aufgewachsen, ist Tiefbauingenieurin, mit Roman, einem Arzt, verheiratet und hat eine Tochter und einen Enkel, den sie sehr liebt. Mit der Zeit zerbricht die Familie, ihre Tochter setzt sich nach Europa ab und lässt ihren Sohn bei ihrer Mutter. Nastja lässt sich von Roman scheiden. Als die Sowjetunion zerfällt und die Ukraine ein eigenständiger Staat wird, bekommt Nastja für ihre Arbeit nichts mehr bezahlt und beschließt mit einem Touristenvisum nach Berlin zu reisen, um ihren Enkel, den sie bei ihrem geschiedenen Mann unterbringt, ernähren zu können.

In Berlin bietet sie ihre Dienste als Putzfrau an und lernt dadurch auch die Autorin Natascha Wodin kennen, zwischen beiden entwickelt sich eine Freundschaft.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten – für einen gefälschten Pass muss sie einen Großteil ihres Verdienstes abgeben und wird beinahe abgeschoben, als der Betrug ans Licht kommt – beschließen Natascha und Nastja eine Heiratsannonce aufzugeben, damit Nastja in Berlin nicht mehr illegal leben muss. Nastja verliebt sich in den Kranführer Achim, die beiden heiraten, aber schon bald verliert Achim seine Arbeit, lebt von ihrem Geld und entpuppt sich als Heiratsschwindler. Als ihr Mann überraschend stirbt, lebt sie eine Zeitlang bei Natascha Wodin, doch dieses Zusammenleben ist nicht ungetrübt, da Nastja die deutsche Sprache kaum beherrscht und nicht in Deutschland heimisch werden kann.

Schlussendlich bekommt Nastja einen deutschen Pass und eine Witwenrente und fasst den Entschluss, in die Ukraine zu ihrem Enkel, ihrer Tochter und ihrem geschiedenen Mann zurückzukehren – aber dann macht sie eine Entdeckung, die alles wieder in Frage stellt.

Natascha Wodin zeichnet in Nastja das Bild einer gebildeten, starken ukrainischen Frau, die durch die Umstände beinahe zu Grunde geht. Obwohl sie in der Ukraine fast verhungert wäre, sehnt Nastja sich nach ihrer Heimat und den Menschen, die sie dort zurückgelassen hat. In Deutschland kann sie nie wirklich Fuß fassen und diese Tatsachen erinnern die Autorin an ihre eigene Mutter, die sich das Leben genommen hat; ihre Freundschaft mit Nastja ist eine Wiederannäherung, die aber letztendlich scheitert, zu verschieden sind die beiden Frauen.

„Nastjas Tränen“ ist ein Buch, das durch die stilistische Meisterschaft der Autorin überzeugt und dem Leser einen Einblick in die Welt der illegalen Immigranten gewährt.

Absolut lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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