Erich Hackl "Als ob ein Engel. Erzählung nach dem Leben"

Erich Hackl sieht seine Aufgabe als Autor darin, die Schicksale vergessener Menschen, die im Widerstand gegen ein faschistisches Regime gekämpft haben und dessen Opfer wurden, zu recherchieren und darzustellen. Sein Anliegen ist, dass diese Opfer nicht vergessen werden, ihr Wirken nicht verharmlost wird.

In seiner Erzählung „Als ob ein Engel“ geht es um das Schicksal von Gisela Tenenbaum. Der Handlungsort ist Argentinien. Es ist die Zeit der Militärdiktatur, nachdem der Diktator Peron vertrieben worden ist.

Giselas Eltern sind vor den Nationalsozialisten aus Wien geflohen und konnten unter großen Mühen eine bescheidene Existenz in Argentinien, in der Stadt Mendoza, aufbauen. Gisela hat zwei Schwestern, Heidi und Monica, sie ist die mittlere in der Reihenfolge der Geschwister. Nach ihrer Geburt beginnen ihre Eltern mit einem Medizinstudium, das sie erst einige Zeit später, nach der Geburt von Monica, der Jüngsten, abschließen können. Ihr Vater arbeitet von da an als praktischer Arzt, ihre Mutter als Gynäkologin. Gisela wächst in einer harmonischen, politisch engagierten Familie auf. Sie führen ein bescheidenes, zufriedenes Leben.

Gisela wird in jeder Hinsicht als überdurchschnittlich beschrieben: Sie ist intelligent, sportlich, attraktiv. Sie ist verantwortungsbewusst, hilfsbereit und eine Gerechtigkeitsfanatikerin. Ab 1974 studiert sie an der Technischen Universität. Dort tritt sie der Peronistischen Jugend bei (eine Vereinigung, deren Ziel die Rückkehr Perons nach Argentinien ist). Im August 1975 schließt sie sich den Montoneros, der Peronistischen Guerilla an. Ein wesentlicher Unterschied dieser beiden Gruppierungen besteht im Waffenverzicht und in der Bereitschaft zur Waffengewalt.

Am 8. April 1977 verschwindet Gisi für immer. Es ist anzunehmen, dass sie ein Opfer der Militärdiktatur geworden ist, die genauen Umstände ihres Verschwindens werden nie geklärt.

Erich Hackl lässt die Familienmitglieder, Freunde und Weggefährten von Gisi zu Wort kommen. So entsteht ein Geflecht von Meinungen und Aussagen über die Persönlichkeit von Gisela. Aber daraus ergeben sich auch Fragen, wie: Haben die Eltern genügend Einfluss genommen, um Gisela abzuhalten? Warum hat Gisela trotz Aussichtslosigkeit der Bewegung weiter ihr Leben riskiert? Wie leben Angehörige von geliebten Menschen, die verschwunden sind, weiter?

Die letzten Worte der Erzählung sind von Gisis Mutter, sie meint: “Und immer wieder sag ich mir, das war ihr Weg. Das ist kein Trost, aber.“

„Als ob ein Engel“ ist ein gut lesbares, nachdenklich stimmendes Buch. Die Idee zu verhindern, dass Menschen, die im Widerstand gekämpft haben, vergessen werden, und vor allem die Aufforderung, über politisches Geschehen, auch wenn es weit weg ist, ernsthaft nachzudenken, ist bemerkenswert.

Sehr empfehlenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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