Mahir Guven "Zwei Brüder"

“Zwei Brüder“ ist Mahir Guvens Debütroman. Er wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2018 mit dem „Prix Goncourt“.

Mahir Guven erzählt von einem Brüderpaar, das heißt, er lässt kapitelweise einmal den großen Bruder und dann den kleinen Bruder zu Wort kommen und in Form von inneren Monologen erzählen.

Das Brüderpaar lebt in der Pariser Banlieue, der Pariser Vorstadt. Ihr Vater ist ein atheistischer Syrer, die früh verstorbene Mutter war Bretonin. Der Vater ist Taxifahrer, für ihn zählen seine Arbeit und seine Familie.

Der ältere Sohn tritt in seine Fußstapfen, nachdem er eine turbulente Zeit als Fußballer, Drogenkurier und Polizeispitzel durchlebt hat, ist er vernünftig geworden, er fährt Taxi, beobachtet seine Fahrgäste. Er ist zynisch, scheinbar abgeklärt, sein Verhalten und seine Sprache sind jedoch Ausdruck seines abwehrenden, aggressiven Denkens. Seine Einstellung zu Frauen ist von Diskriminierung und Verachtung bestimmt.

Der jüngere Bruder ist Krankenpfleger. Er ist jedoch mit seinem Leben nicht zufrieden und entschließt sich, mit einer islamistischen Organisation nach Syrien zu gehen, um dort zu helfen. Nach seinem spurlosen Verschwinden stehen der Vater und der ältere Bruder unter polizeilicher Beobachtung. Ab jetzt geht es vor allem um die Fragen: „Was wäre, wenn er zurückkommt?“, „Wie hat er sich verändert?“, „Was zählt unsere Familie dann noch?“.

In weiterer Folge erzählt der ältere Bruder von seiner Sorge um den jüngeren und von seiner Angst um den Vater. Sein Leben geht nach außen scheinbar unverändert weiter – bis der jüngere Bruder tatsächlich wieder vor seiner Türe steht.

Der jüngere Bruder war inzwischen bei syrischen Dschihadisten und musste – zum Arzt erklärt – die verwundeten Kämpfer versorgen, was ihn bisweilen total überforderte. Allmählich wurde er einer von ihnen.

Die Auseinandersetzung der beiden Brüder, eine geplante Flucht und das Ende der Geschichte sollen nicht verraten werden.

Mahir Guven schreibt in einem höchst unkonventionellen Stil, in einem „coolen Vororte-Jargon“. Er zeigt anschaulich, wie sehr die verwendete Sprache der Brüder Ausdruck ihres Denkens ist.

Das Buch regt zum Nachdenken über Religion, Fanatismus und Gewalt an. Es zeigt, wie unterschiedlich sich zwei Brüder trotz ähnlicher Bedingungen entwickeln können und wie aus der Utopie des jüngeren Bruders, in Syrien zu helfen, die Realität eines Terroristen entstehen kann.

Ein fesselndes Buch, das nachdenklich stimmt.

Lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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