Judith Hermann "Daheim"

Die Schriftstellerin Judith Hermann ist 1970 in Berlin geboren. Sie hat nach dem Abbruch ihres Philosophie- und Germanistikstudiums eine Berliner Journalismus-Schule absolviert. 1998 ist ihr erster Erzählband erschienen, 2014 ihr Roman „Daheim“. Judith Hermann hat zahlreiche Literaturpreise erhalten, wie zum Beispiel den Kleist-Preis oder den Hölderlin-Preis.

Ein alter Zaubertrick, nämlich der, bei dem eine Frau in einer Kiste zersägt wird, bildet ein grundlegendes Motiv dieses Romans. Es geht um die Annahme, dass wir alle in irgendwelchen „Kisten“ leben, irgendwie eingesperrt, beengt sind und dass unser Leben in Gefahr sein kann, von traumatischen Erfahrungen „zersägt“ zu werden.

Die Ich-Erzählerin hat, nachdem ihre Tochter Ann ausgezogen ist, ihren Ehemann Otis verlassen. Ihr Leben ist eintönig, sie hat kaum Ansprüche und bewegt sich zwischen ihrem Arbeitsplatz und ihrem Balkon, sie hat keine sozialen Kontakte.

Nach einem Erlebnis in der Kiste eines Zauberers, der sie als Assistentin für diesen Trick gewinnen will, lehnt sie sein Angebot, mit ihm zu arbeiten, zwar ab, aber sie beginnt ihr Leben für sich neu zu ordnen.

Sie lebt nun in einem Dorf am Meer, ihren Lebensunterhalt verdient sie durch die Arbeit in der Kneipe ihres Bruders. Zwischen ihr und der Nachbarin Mimi entsteht eine freundschaftliche Beziehung. Und zwischen Arild, dem Bruder von Mimi, und ihr entwickelt sich eine nie zur Sprache kommende Liebesbeziehung.

Der Bruder der Ich-Erzählerin liebt Nike abgöttisch. Nike, eine zwanzigjährige junge Frau, ist als Kind in einer Kiste eingesperrt worden, sie ist verwahrlost, nimmt Drogen und kommt nur mit seiner Hilfe zurecht. Seine Zuneigung lehnt sie strikt, oft wütend ab.

Zwischen Otis, ihrem geschiedenen Ehemann, und der Ich-Erzählerin gibt es immer wieder brieflichen Kontakt. Otis ist ein fast krankhafter Sammler. Er glaubt, dass die Welt bald untergehen wird, und seine gesammelten Dinge sollen seiner Absicherung dienen.

Ann, die Tochter der Ich-Erzählerin, ist irgendwo in der Welt unterwegs. Es gibt nur selten Kontakt via Skype zwischen ihnen.

Am Ende des Buches beschließt die Ich-Erzählerin noch einmal neu anzufangen.

„Daheim“ ist ein unaufgeregt erzähltes Buch. Die handelnden Personen sind interessant gezeichnet und das Zusammentreffen der einzelnen oft voll Spannung, vieles bleibt unausgesprochen. Das Buch beschreibt den Weg der Ich-Erzählerin von einer Daseinsform in die nächste.

Interessant, anregend.

Lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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