Margaret Laurence “Der steinerne Engel“

Margaret Laurence ist eine 1926 geborene kanadische Schriftstellerin, die 1987 verstorben ist. Sie gilt neben Alice Munro und Margaret Atwood als bedeutendste kanadische Erzählerin. Der Roman „Der steinerne Engel“ liegt nun in einer neuen Übersetzung von Monika Baark vor.

Der Roman erzählt die Lebensgeschichte der Hagar Shipley, die, nunmehr neunzig Jahre alt, bei ihrem Sohn Marvin und dessen Frau Doris lebt. Als diese Hagar in einem Seniorenheim unterbringen wollen, wehrt sie sich und flieht schließlich bei Nacht und Nebel. Ihre Flucht endet in einer alten, verfallenen Fischfabrik.

In Rückblicken und in Erinnerungen erzählt Hagar ihr schweres, mühsames Leben. Sie hat gegen den Willen ihres Vaters, der Besitzer eines Kaufmannsladens und als solcher ein angesehener Mann war, den Witwer Brampton, einen Farmer, geheiratet. Dieser ist ein grober, ungebildeter Mensch und Hagar lebt seit der Hochzeit mit ihm auf der heruntergekommenen Farm.

Hagar ist eine kämpferische, widerborstige Frau. Ihre Beurteilung anderer Menschen ist hart und unerbittlich, vor ihr besteht keiner, Gefühle wie Güte oder Dankbarkeit schließt sie aus. Zuneigung empfindet sie nur für ihren zweitgeborenen Sohn, und als dieser auf Grund einer sinnlosen, gefährlichen Wette stirbt, ist sein Verlust ihr schwerster Schicksalsschlag. Hagar ist eine willensstarke, illusionslose Frau. Ziel ihres klaren Verstandes ist die Aufdeckung von Lüge und Heuchelei. Ihre Sprache drückt deutlich ihre Verachtung für den Rest der Welt aus.

Erst zuletzt, als Hagar von ihrem Sohn in der Fischfabrik gefunden wird und sie im Krankenhaus ist, denkt sie über ihre verächtliche Einstellung und ihre Bosheit anderen Menschen gegenüber nach: „Niemand ist schuld an diesem widerwärtigen, weichen Ei, an der geschrumpften Welt, an den Stimmen, die wie Trauernde die ganze Nacht hindurch jammern. Warum ist es immer so schwer, den wahren Schuldigen zu finden? Warum bin ich immer auf der Suche nach ihm? Als würde es einem etwas nützen.“

Tatsächlich nützt es nichts zu suchen, wer die Schuldigen sind, die das Lebensglück der scheinbar besseren und moralisch wertvolleren Menschen verhindern.

Hagar ist gefangen zwischen Schuld und deren Abwehr, sie ist anmaßend und herabsetzend – wahrscheinlich sind das ein Lebensglück verhindernde Einstellungen.

Das Buch ist lebhaft und interessant geschrieben und zeigt die hohe Erzählkunst der Autorin.

Lesenswert!

Bedenkenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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