Gudrun Seidenauer "Was wir einander nicht erzählten"

Dieser Roman erzählt die Geschichte der Freundschaft zwischen Mella und Marie. Die beiden circa zwölfjährigen Mädchen kommen aus sehr unterschiedlichen Familien: Mellas Vater Alex ist Musiker, ihre Mutter Cordula ist psychisch krank und lebt vorwiegend in einem Sanatorium. Maries Mutter ist eine Frau, die den konventionellen Erwartungen an eine Ehefrau und Mutter entspricht; ihr Vater ist wenig präsent, sie hat einen älteren Bruder.

Marie und Mella ziehen einander magisch an, sie werden beste Freundinnen. Für Marie ist Mella so stark, eigenständig und mutig. Für Mella ist Maries Bewunderung und Zuneigung eine wichtige Stütze. Sie genießt es, an Maries „normalem Familienleben“ teilzuhaben. Marie fühlt sich Mella gegenüber immer unterlegen und hofft, durch Mella aufgewertet zu werden und Mella, die nicht wirklich stark ist, die daher Halt und Stütze braucht, findet diese bei Marie.

So verbindet die beiden einige Zeit hindurch eine innige Freundschaft, bis Mella sich in Maries Bruder verliebt. Auf Maries Wunsch beendet sie jedoch diese Beziehung. Zu einer Aussprache kommt es nicht.

Später beginnt eine Liebesbeziehung zwischen Marie und Alex, Mellas Vater, und auch darüber setzen sich die Freundinnen nicht auseinander. Sie trennen sich für ein Jahr Auslandsaufenthalt. Nach ihrer Rückkehr leben sie gemeinsam in einer Studentenwohngemeinschaft. Es kommt neuerlich zu einem Verrat, diesmal durch Mella. Marie bricht die Beziehung zu ihrer ehemals besten Freundin ab.

Auch in dieser belasteten Situation kommt es zu keinem klärenden Gespräch, das vielleicht eine Versöhnung einleiten könnte.

Nach vielen Jahren treffen sie einander zufällig in Japan bei einem Kongress wieder. Der alte Verrat sowie die damit verbundenen Schuldgefühle und Aggressionen sind wieder gegenwärtig. Die beiden sprechen sich nur zögerlich aus und es kommt zu einer vorsichtigen Versöhnung.

Gudrun Seidenauers Roman  “Was wir einander nicht erzählten“ ist ein berührendes, spannendes Buch über eine innige Freundschaft mit Machtkämpfen, Vertrauensbrüchen, Unterlegenheit, Neid und der Sehnsucht nach einer Geborgenheit und Liebe, die alle alten Mängel ausgleichen kann.

Ein sehr lesenswertes Buch!

Prof. Münzer-Jordan

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