Leila Slimani "Dann schlaf auch du"

Die 1981 geborene marokkanische Autorin Leila Slimani, die in Paris lebt und auf Französisch schreibt, hat mit ihrem Roman “Dann schlaf auch du“ (im Original „Chanson Douce“) als eine der jüngsten Autorinnen 2016 den Prix Goncourt gewonnen.

Das Buch beginnt mit dem Ende der Handlung. Das Kindermädchen Louise hat ihre zwei kleinen Schützlinge, Adam und Mila, ermordet und danach versucht sich selbst zu erstechen. Nach diesem schrecklichen Beginn erzählt Slimani, wie es zu dieser Tat gekommen ist.

Paul und Myriam sind ein glücklich verheiratetes Paar mit zwei  Kindern, einem Buben und einem Mädchen, das in Paris in einer kleinen Wohnung lebt. Myriam ist Juristin und ihr Mann erfolgreicher Musikproduzent, aber nach der Geburt des zweiten Kindes will Myriam wieder arbeiten gehen und so sucht das Paar nach einem Kindermädchen und findet Louise, die perfekt scheint. Sie ist liebevoll zu den Kindern, kauft ein, kocht, putzt, wäscht, sodass sich das Ehepaar ganz seinen beruflichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen widmen kann.

Ganz allmählich werden Paul und Myriam jedoch immer abhängiger von Louise und der Leser erfährt, was die Eltern nicht wissen, da es zwischen ihnen und Louise zu keinen persönlichen Gesprächen kommt. Paul und Myriam vertrauen ihre Kinder einer Frau an, über die sie eigentlich nichts wissen und an der sie auch persönlich nicht interessiert sind.

Louise lebt nach einer Ehe mit einem gewalttätigen Mann mit ihrer Tochter in einer Wohnung, die sie sich nicht leisten kann. Ihre Tochter, für die sie nie Zeit hatte, weil sie als Kindermädchen für andere Familien arbeiten musste, hat das gemeinsame Heim verlassen. Louise weiß nicht, wo sie sich aufhält. Verzweifelt versucht sie ihrem Vermieter auszuweichen, dem sie die Miete schuldet. Ihr droht die Delogierung und sie versucht sich bei Paul und Myriam unentbehrlich zu machen. Außerdem muss sie fürchten, entlassen zu werden, wenn die Kinder in den Kindergarten kommen. Ihre Rettung wäre eine weitere Schwangerschaft Myriams, die sich aber nicht abzeichnet.

Leila Slimani ist ein erschütternder Roman gelungen, der, ohne zu verurteilen, viele Fragen aufwirft: Wem vertrauen wir unsere Kinder an? Wie sehr schätzt unser Gesellschaft Haus- und Erziehungsarbeit? Was wissen wir über die Menschen, die für uns arbeiten?

Nicht umsonst war dieses Buch monatelang auf der Bestsellerliste.

Schaurig, aber absolut lesenswert.

Prof. Münzer-Jordan

Zurück