Verena Kessler "Die Gespenster von Demmin"

Die Autorin ist 1988 in Hamburg geboren, sie lebt in Leipzig und hat am Deutschen Literaturinstitut studiert. „Die Gespenster von Demmin“ ist ihr erster Roman.

Den Hintergrund dieses Romans bildet der Massenselbstmord 1945 in Demmin. Als Ende April 1945 russische Panzer die Stadt Demmin in Vorpommern erreichen, sind alle Fluchtwege für die Einwohner abgeschnitten. In Panik nehmen sich etwa 1000 Menschen das Leben. Diese schrecklichen Ereignisse wirken bei den heute dort Lebenden noch nach, teilweise sind sie Zeitzeugen, teilweise hat es in ihren Familien furchtbare Tragödien gegeben. Und es gibt vieles, was an diese Zeit erinnert.

Die Hauptfigur ist die Ich-Erzählerin Larissa, die sich Larry nennt. Sie ist eine sich cool und stark gebärdende Jugendliche, die Kriegsreporterin werden will. Um in diesem Job bestehen zu können und allfällige Gefahren, zum Beispiel Folter bei Gefangennahme, überleben zu können, hat sie mit einem Abhärtungsprogramm begonnen. Sie trainiert eifrig, indem sie so lange als möglich kopfüber an einem Baum hängt, unter gefrorenes Eis kriecht, nicht atmet und so hofft, dass sie, wenn sie viel aushalten kann, vor nichts mehr Angst haben muss.

Larry ist eine pubertierende Jugendliche, die gegen jeden Freund ihrer Mutter rebelliert, die erste zaghafte Liebe erlebt und in vieler Hinsicht sehr selbständig ist. Sie hilft neben der Schule auf dem Friedhof aus, sie nützt das, um einmal wie ein Grufti Probe zu liegen und um mit ihrem toten, dort begrabenen Bruder lange Gespräche zu führen.

So hart sich Larry nach außen gebärdet, ist sie doch innen ein sensibler, liebevoller Mensch. Im Grunde dient ihr Wunsch sich zu stählen als Abwehr gegen die Trauer und die Erinnerungen, die noch in ihrer und vielen anderen Familien bewirken, dass das gegenwärtige Erleben wie mit einem Grauschleier überzogen ist.

In einem zweiten Erzählstrang ist Frau Dohlberg, die alte Nachbarin von Larry, die Hauptfigur. Sie soll in ein Altersheim umziehen und beim Zusammenpacken und Aussortieren begegnet sie den Toten und den Erinnerungen an diese.

Die Gespenster von Demmin sind überall, aber sie bleiben geisterhaft, bestimmen die Atmosphäre in dieser Stadt.

Der Autorin ist ein interessantes, nachdenklich stimmendes Buch gelungen indem es um die Nachwirkungen von Krieg, Gewalt, Angst und Tod geht. Sie schreibt in einer schönen, klaren Sprache und vielleicht ist es so, dass gerade das Geisterhafte, aber doch stets Anwesende, den Leser nachdenklich stimmt.

Lesenswert!!!

Prof. Münzer-Jordan

Zurück