Sandra Gugic "Zorn und Stille"

Die Eltern der Autorin kommen aus Serbien, sie selbst ist in Wien geboren. “Zorn und Stille“ ist ihr zweiter Roman.

“Zorn und Stille“ ist eine Familiengeschichte. Die Eltern, der Vater Sima und die Mutter Azra, kommen aus kleinbäuerlichen Familien in Serbien. Sie haben, während Jugoslawien zerfallen ist, ihre Heimat verlassen und sind als Gastarbeiter nach Österreich emigriert. Sie sind mit großen Hoffnungen auf ein besseres Leben gekommen, die nicht oder nur in Ansätzen erfüllt wurden.

Die Hauptfigur ist die älteste Tochter Biljana, sie lebt mit ihren Eltern und dem jüngeren Bruder Jonas Neven zusammen. Die Eltern arbeiten viel und hart und Biljana, die sich Billy nennt, ist viel mit ihrem Bruder allein. Es gibt selten Zeiten der Gemeinsamkeit. Billy macht Pläne für ihre Zukunft und die soll anders aussehen als das Leben ihrer Eltern. Sie will sich nicht wie ihre Eltern in jeder Hinsicht anpassen, brave Einwanderin sein, um keinen Preis auffallen, damit es zu keinem negativen Urteil der anderen kommen kann. Sie will auch nicht dankbar sein.

Während ihre Eltern sich immer noch nach „Ankommen“ sehnen, geht es Billy um „Aufbruch“. Diese verschiedenen Lebensziele zeigen sich in der unterschiedlichen Art, mit den Schwierigkeiten des Lebens zurechtzukommen, nämlich mit Zorn und ruheloser Aktivität bei Billy und mit Stille und Anpassung bei den Eltern. So entsteht zwischen den beiden Generationen eine tiefe Kluft. Billy verlässt mit 16 ihr Elternhaus, sie bricht den Kontakt ab. Billys Bruder, Jonas Neven, geht dabei irgendwo „verloren“, denn er findet sich in keiner Lebensart zurecht.

Billy führt über viele Jahre ein von Unruhe getriebenes Leben. Sie hat Angst, Wurzeln zu schlagen. Sie wird eine bekannte Fotografin und ist von der Richtigkeit ihres Handelns total überzeugt. Ihr vermittelt Fremdsein ein Gefühl der Stärke und Sicherheit, im Gegensatz zu ihren Eltern, die sich nach Heimat gesehnt haben.

Zu einer Annäherung an ihre Familie kommt es erst, nachdem ihr Vater gestorben ist. Jetzt – Billy ist inzwischen 40 Jahre alt – beginnt sie über ihre Eltern und deren Herkunft nachzudenken.

Im Roman kommen Billy, ihre Mutter Azra und Sima, ihr Vater, zu Wort. So entstehen verschiedene Perspektiven, Zeitebenen und auch Erlebnisweisen, die dazu dienen sollen, die handelnden Personen zu verstehen und das Gefüge dieser Familie zu erkennen.

Sandra Gugic schreibt in schöner, klarer Sprache, die Verschränkungen der Zeitebenen und Schicksale sind spannend und berührend.

Ein lesenswertes, lehrreiches Buch über mögliche Generationenkonflikte.

Sehr empfehlenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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