Dzevad Karahasan "Sara und Serafina"

Dzevad Karahasan ist ein bedeutender Schriftsteller und Chronist seiner Heimat Bosnien. Er wurde unter anderem mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet. Er lebt in Graz und in Sarajevo.

Der Roman beginnt mit dem Zusammentreffen des Ich-Erzählers, offenbar ein alter Hochschullehrer, mit seinem Freund Dervo. In Sarajewo herrscht Krieg. Dervo berichtet von einer gemeinsamen Bekannten Sara (eigentlich Serafina), die ihren Selbstmord provozieren wollte, indem sie sich am helllichten Tag auf der Straße den Scharfschützen in den umliegenden Häusern als Zielscheibe bot. Sie wird in Sicherheit gebracht und nun soll der Erzähler im Gespräch mit ihr herausfinden, wie es für sie weitergehen kann.

Nun folgen die Erinnerungen des Erzählers an seine Erlebnisse mit Sara. Er lernt Sara bei einem Freund, Dubravko, kennen und wird zum Helfer bei der Ausreise von Antonija, Saras einziger Tochter, mit deren muslimischem Verlobten Kenan. Er besorgt Kenan einen Taufschein und Dubravko die weiteren nötigen Papiere. Die Ausreise der beiden gelingt nicht, die Fälschung der Papiere wird aufgedeckt und Antonija darf nur allein ausreisen. Sie geht schließlich nach Neuseeland.

Sara leidet sehr unter Einsamkeit, sie widmet sich voll und ganz ihrem Lehrerberuf und der Wohltätigkeitsarbeit. Trotzdem nimmt das Gefühl der Sinnlosigkeit von ihr Besitz und sie will sterben – durch die Heckenschützen.

Dervo, der stellvertretender Leiter der Polizeistation ist, und der Ich-Erzähler wollen Sara retten und Dervo engagiert sie als Köchin der Polizeistation. Sara übernimmt diesen Job. Als sie die Polizeistation verlässt, detoniert eine Granate und tötet Sara.

Der Tod Saras löst im Ich-Erzähler neben Schuldgefühlen einen Trauerprozess aus und führt zu seiner Spurensuche nach Sara und ihrer Doppelidentität. Sie ist Sara und Serafina. Als Letztere ist sie praktisch, nützlich, diensteifrig, während als Sara ist sie träumerisch, sehnsüchtig, nicht wirklich realitätstauglich. Die ambivalenten Gefühle zwischen Sara-Sein uns Serafina-Sein belasten Sara sehr, ebenso wie ihre Schuldgefühle gegenüber ihrer jüdischen Freundin Ela. Die Betroffenheit des Erzählers kommt daher, dass er in Saras Dilemma sein eigenes erkennt.

Auch wenn viele Fragen offen bleiben, das Buch endet mit dem tröstenden Satz: „Zum Glück schneit es, und alles ist weiß.“

Dem Autor ist ein ergreifendes Buch über den Krieg und dessen Auswirkungen auf die Menschen gelungen. Er beschreibt die ständige Angst und die Überlebensstrategien, die das Leben der Menschen im Krieg bestimmen.

Ein bewegendes und interessantes Buch.

Lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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