Melitta Breznik "Mutter. Chronik eines Abschieds"

Melitta Breznik ist eine österreichische Autorin, die in der Schweiz lebt. Sie ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.

Unmittelbar vor ihrem 91. Geburtstag erfährt die Mutter der Autorin, dass sie unheilbar an Krebs erkrankt ist und nur mehr kurze Zeit zu leben hat. Ihre Tochter hat eigentlich nur einen kurzen Besuch bei ihr geplant, bleibt aber nach dieser Diagnose bei ihrer Mutter. Den Wunsch ihrer Mutter, ihr Sterbehilfe zu leisten, lehnt sie ab, aber sie bietet an, bei ihr zu bleiben und sie zu begleiten. Sie stellt ihr eigenes Leben zurück.

Die Autorin beschreibt das Leben ihrer Mutter. Diese hat in jungen Jahren ihre Heimat Hessen verlassen und ist aus Liebe zu einem dort stationierten Soldaten in die Steiermark gezogen, wo sie lange Zeit fremd geblieben ist. Sie hat zwei Söhne geboren und spät, mit 40 Jahren, eine Tochter, die Autorin. Die Ehe der Eltern der Autorin wurde geschieden, weil der Vater alkoholkrank war. Ihrer Mutter gelingt es, sich ein neues Leben aufzubauen, mit Reisen, neuen Freundschaften und vielen kleinen Freuden.

Der ältere Bruder der Autorin stirbt mit 18 Jahren an einem Gehirntumor.

Die Autorin ist eine sensible, sorgfältige Beobachterin. Sie bemerkt jede kleine Veränderung an ihrer Mutter und versucht deren Wünschen und Bedürfnissen gerecht zu werden.

Zur Sprache kommt das Alleinsein der Tochter als Kind und ihr Leid an der unglücklichen, von Schwermut und Sprachlosigkeit gezeichneten Ehe ihrer Eltern, auch ein Schwangerschaftsabbruch mit 16 Jahren, zu dem sie von ihrer Mutter gedrängt wurde. Sie wollte nicht, dass ihre Tochter durch eine frühzeitige Mutterschaft ihre Lebenschancen verpasst.

Der Autorin gelingt auf berührende Weise die Beschreibung der letzten Lebenszeit ihrer Mutter zum Sterben hin. „Der Tod braucht Zeit, er duldet keine Eile, er duldet nichts anderes neben sich.“ Sie spricht über ihre eigenen Gefühle, wie mühsam und manchmal überfordernd diese Aufgabe ist und wie groß ihr innerer moralischer Druck ist, ihre Mutter selbst zu betreuen.

Melitta Breznik ist ein stilles, eindringlich berührendes Buch gelungen, das zum Nachdenken über Leben, Tod und Zeit anregt.

Sehr lesenswert!!!

Prof. Münzer-Jordan

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