Uwe Timm “Halbschatten”

Der Autor Uwe Timm ist 1940 geboren, er hat Philosophie und Germanistik in München und Paris studiert. Seit 1971 arbeitet er als freier Schriftsteller und lebt mit seiner Familie in München und Berlin. Uwe Timm ist Träger zahlloser Auszeichnungen.

Der Handlungsort des Romans „Halbschatten“ ist der Berliner Invalidenfriedhof, der bereits von Friedrich II. für die verstorbenen Kriegsversehrten eingerichtet wurde. Hier liegen bedeutende Militärs, Generäle, Obristen, Majore neben Kriegsopfern und Kriegsverbrechern des Zweiten Weltkrieges. Auch Marga von Etzdorf, die Hauptfigur dieses Buches, ist hier begraben.

Der Ich-Erzähler ist mit einem Fremdenführer, „der Graue“ genannt, in diesem Friedhof unterwegs. Ihn interessiert die Geschichte der Pilotin Marga von Etzdorf, auf deren Grabstein „Das Fliegen ist das Leben wert“ steht. Neben der Stimme dieses Führers sind auch viele andere Stimmen von Toten zu hören.

Seit ihrer Kindheit hat Marga von Etzdorf den Wunsch, Fliegerin zu werden, der sich als erwachsene Frau für sie erfüllt. Sie wird eine berühmte, erfolgreiche Fliegerin. Auf einem ihrer spektakulären Langstreckenflüge lernt sie in Japan den ehemaligen Jagdflieger Christian von Dahlem kennen. Sie erzählen einander von intimen, bedeutenden Erlebnissen aus ihrem Leben.

Die Langstreckenflüge, die Marga von Etzdorf unter großer Anteilnahme des Volkes absolviert, enden jedoch mit einer Bruchlandung, nach der zweiten ist ihr Flugzeug zerstört und alle ihre finanziellen Mittel aufgebraucht. Über Empfehlung von Christian von Dahlem wird ihr eine Maschine zur Verfügung gestellt, aber der Flug ist als Werbung für die Nationalsozialisten geplant.

Auch dieser Flug nach Australien endet mit einer Bruchlandung, weil die Pilotin mit dem Wind landet statt gegen den Wind. Kurze Zeit später erschießt sich Marga von Etzdorf. Sie ist 25 Jahre alt. Ihre Beweggründe bleiben unklar und rätselhaft.

Die Stimmen, die aus den Gräbern des Friedhofs zu hören sind, ergeben ein vielstimmiges Bild von Gewalt, Schuld, Angst und zeigen verschiedenste Schicksale, so wie das eines gewissen Miller, der noch im April 1945 für einen Witz über den verlorenen Krieg gehenkt wurde und auf diesem Friedhof begraben ist; oder die Stimme von Heydrich, eines Naziverbrechers, der von seinem Traum der Weltherrschaft und Rassenreinheit spricht; oder die Jagdflieger Richthofen, Udet und Mölders. Offenbart werden Haltungen und Sichtweisen, die zum Verständnis der deutschen Geschichte beitragen können.

Uwe Timm hat einen interessanten, sehr gut erzählten Roman geschrieben, der, auch wenn es sich vorwiegend um Tote handelt, lebendig und spannend ist.

Sehr lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

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