Mathias Enard "Das Jahresbankett der Totengräber"

Mathias Enard ist einer der bedeutendsten zeitgenössischen Schriftsteller Frankreichs und hat 2015 für seinen Roman „Kompass“ den bekanntesten französischen Literaturpreis, den Prix Goncourt, bekommen.

“Das Jahresbankett der Totengräber”, Enards jüngster Roman, ist an Frankreichs Westküste angesiedelt, im Departement „Deux Sevres“, aus dem auch der Autor stammt.

Der Pariser David, der an seiner Dissertation über das Landleben schreibt, ist zwecks Fertigstellung dieser Arbeit in ein kleines Dorf gezogen. Dort lebt er auf einem Bauernhof, lernt die Dorfbewohner kennen, unter anderen Lucie, die mit ihrem autistischen Cousin und ihrem alten Großvater lebt und Gemüseanbau betreibt, den Totengräber und Bürgermeister des Dorfes, den Künstler Max, der seit zehn Jahren hier wohnt, und den Wirt des einzigen Gasthauses, Thomas, der ihm später sein altes Auto verkauft.

Davids Tagebuchaufzeichnungen, die am Anfang und Ende des Romans stehen, werden schon bald von Erzählungen über das Dorf und seine Bewohner unterbrochen. Den Höhepunkt dieses Panoramas nimmt das Bankett der Totengräber ein. Auf diesem Fest treffen sich die Totengräber Frankreichs, um zu zechen und zu tafeln, Reden zu schwingen, zu singen und Anekdoten zu erzählen. Der Tod hat Pause während dieser Zeit.

Am Ende des Romans treffen wir wieder auf David, der sich in Lucie verliebt hat und mit ihr gemeinsam beschließt, Obst und Gemüsebau zu betreiben, um seinen Beitrag zu leisten, ein Stück der Natur vor der Zerstörung zu retten.

Enards Roman ist ein buntes Panorama des dörflichen Lebens und der Landschaft des Deux Sevres. Die Haupthandlung wird von vielen Exkursen und Nebenhandlungen unterbrochen, die durch die Idee der Seelenwanderung verbunden sind. So findet sich ein Priester unter anderem in einem Eber wieder, und Bösewichte reinkarnieren als rote Würmer, die Davids Dusche bevölkern.

Enard gelingt es, ein fantasievolles Bild der dörflichen Gemeinschaft zu zeichnen und auch die faszinierende Landschaft lebendig werden zu lassen.

Ein Buch mit Humor, ein differenziertes Loblied der dörflichen Lebensweise, in dem auch philosophische Betrachtungen über den Kreislauf des Lebens und die fortschreitende Zerstörung unserer Umwelt nicht zu kurz kommen.

Lesenswert!

Prof. Münzer-Jordan

Zurück